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Zeitlos begehrt – die Tradition von Leder
Leder ist geschmeidig, zäh, relativ fest, haltbar und vielseitig einsetzbar. Es ist wasserabweisend und trotzdem atmungsaktiv, also ausreichend durchlässig für Luft und Wasserdampf. Diese Eigenschaften machen Leder traditionell zu einem sehr begehrten Produkt. Heutzutage setzt die Lederindustrie jedes Jahr weltweit deutlich über 30 Milliarden Euro um. Die jährlich produzierte Ledermenge beläuft sich dabei nach Schätzungen auf ca. 450.000 Tonnen bzw. eine Milliarde m2. Der mit Abstand größte Produzent von Rohhäuten ist China, gefolgt von den USA und Brasilien. Generell ist seit vielen Jahren eine stetige Verschiebung von den Industrieländern in Entwicklungs- und Schwellenländer zu beobachten. Interessant ist auch die prozentuale Verteilung bei fertigen Lederartikeln: 55 % entfallen auf Schuhe, was sage und schreibe einer jährlichen Produktion von 4,5 Milliarden Schuhen entspricht. Kfz- und Möbelleder haben einen Anteil von 20 %, Handschuhe von 15 %.
Die Gewinnung von Leder ist ein Jahrtausende alter Prozess: Einen beeindruckenden Einblick in die Vielfalt steinzeitlicher Lederbearbeitung hat uns „Ötzi" ermöglicht. Schuhe, Mütze und Oberbekleidung dieser 5.300 Jahre alten Gletscher-Mumie bestanden aus mehreren Lederarten, die mit Fetten und Rauch verschiedentlich gegerbt wurden – immer abgestimmt auf die jeweilige Beanspruchung. Auch Zeichnungen aus Ägypten, die ca. 3.500 v. Chr. entstanden sind, zeigen die Gerbung von Tierhäuten. Für das römische Imperium war der Lederhandel ebenfalls von essenzieller Bedeutung. Allein für die Ausrüstung der Legionäre wurde eine enorme Menge an Leder benötigt, um kontinuierlichen Nachschub zu sichern. So war der Lederhandel sogar einer der Gründe für den Ausbruch der Punischen Kriege von 246 - 146 v. Chr.
Manchmal übertrifft das Imitat das Original
Die Herstellung von Leder war und ist teuer und aufwendig. Daher ist es nachvollziehbar, dass versucht wird, Leder mit kostengünstigeren Produkten zu imitieren. Das sogenannte Kunstleder gibt es, so wie wir es heute kennen, schon seit vielen Jahrzehnten. Rein optisch ist es den Herstellern von Kunstleder gelungen, eine Lederoberfläche perfekt zu imitieren. So sind einige Kunstlederprodukte mit bloßem Auge nicht von echtem Leder zu unterscheiden. Bei den meisten Kunstlederprodukten ist die textile Rückseite jedoch ein eindeutiges Erkennungsmerkmal – es sei denn, dass durch das Auftragen von Lederfasern auch hier eine Naturleder-Optik erreicht wurde. In diesen Fällen haben selbst Experten Probleme, die Kunstlederprodukte optisch von Echtleder zu unterscheiden.
Fernab der Optik gibt es inzwischen zahlreiche Anwendungen, in denen Kunstleder eindeutige Vorteile bietet. Bei Bezügen im Außenbereich beispielsweise überzeugt es durch bessere Witterungsbeständigkeit und ist leichter zu reinigen. Auch bei Liege- und Sitzflächen im medizinischen Bereich werden fast ausschließlich Kunstlederprodukte verwendet.
Qualitativ hochwertige Kunstledersorten sind darüber hinaus atmungsaktiver, verschleißfester und leichter als Naturleder. Zudem sind sie geruchlos, saugfähig, form- und UV-beständig, knitterresistent sowie rutsch-, reiß- und scheuerfest.
Insgesamt: ideale Voraussetzungen für die Verwendung in der Schuh-, Täschner-, Bekleidungs- oder Möbelindustrie sowie als Sitzbezug oder Innenauskleidung im Automobil.
Der Herstellungsprozess
Grundsätzlich handelt es sich bei einem Kunstleder um ein unbeschichtetes Material, genau genommen um einen Verbundvliesstoff aus Mikrofasern, der dem Chamois-Naturleder nachempfunden ist. Ein Hauptbestandteil in der Herstellung des Naturlederimitats ist die industrielle Flachvernadelung. Danach erfolgt eine höchst aufwendige und energieintensive Nachbehandlung, bei der die typische Haptik und geschlossene Produktoberfläche erzeugt wird. Diese Eigenschaften werden erzielt, in dem Polystyrol herausgefiltert und durch Polyurethan ersetzt wird. Weitere Veredelungsprozesse wie Schleifen, Schmirgeln und Reinigen leisten ebenfalls ihren Beitrag. Zusätzlich findet ein Spaltprozess des Produkts statt, bei dem Oberlage, Mittellage und Unterlage erzeugt werden. Hierbei stellt die Mittellage die Premiumqualität dar.
Anwendungsbeispiel – Kunstleder für Bekleidung
-
Produkteigenschaften
- Faserfeinheit : 1,7- 3,3 dtex
- Faserart: PES, PA
- Produktgewicht: 350 g/m2
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Vorvernadelung
- Nadeltype: 15x18x38x3 1/2 R222 G 3027 (614071)
- Einstichtiefe:12 mm
- Einstichdichte: 50 E/cm2 (S/cm2)
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Zwischenvernadelung
1)
- Nadeltype: 15x18x40x3 R222 G 3037 (603721)
- Einstichtiefe: 10 mm
- Einstichdichte: 200 E/cm2 (S/cm2)
2)
- Nadeltype Einlaufzone: 15x18x40x3 R222 G 3037 (603721)
- Nadeltype Auslaufzone: 15x18x40x3 C222 G 3037 (609901)
- Einstichtiefe: 9 mm
- Einstichdichte: 200 E/cm2 (S/cm2)
3)
- Nadeltype Einlaufzone: 15x18x40x3 C222 G 3037 (609901)
- Nadeltype Aulaufzone: 15x18x40x3 R222 G 3037 (603721)
- Einstichtiefe: 8 mm
- Einstichdichte: 200 E/cm²(S/cm2)
-
Hauptvernadelung
1)
Nadeltype: 15x18x42x3 R222 G 3037 (615451)
Einstichtiefe: 7 mm
Einstichdichte: 250 E/cm2 (S/cm2)
2)
- Nadeltype: 15x18x42x3 R222 G 3027 (609921)
- Einstichtiefe 5 mm
- Einstichdichte: 350 E/cm2 (S/cm2)
Alcantara®, Ecsaine® und Ultrasuede®
Beispiele für innovative Kunstleder sind etwa Alcantara®, Ecsaine® und Ultrasuede®.
Die hochwertigeren Wildlederimitate werden auf der Basis von 4 dtex PES-Bikomponentenfasern gefertigt, wobei die Dicke der Einzelfibrillen zwischen 0,001 und 0,2 dtex variiert. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist ca. 40 - 50mal dicker als die für dieses Produkt eingesetzten Einzelfibrillen.
Durch mechanisches Vernadeln wird die Festigkeit im Produkt erzeugt. Mithilfe thermischer oder chemischer Behandlung wird die Hülle der Polyesterfasern aufgelöst, um die Matrixfaser loszulösen. Durch diesen Prozess werden die Einzelfibrillen aktiviert und es entsteht eine geschlossene Oberfläche.
Um die Oberfläche und die textilen Eigenschaften des Kunstleders so naturgetreu wie möglich nachzubilden, müssen die Fasern im Vlies sehr stark eingebunden werden. Dazu sind bis zu 3.000 E/cm² erforderlich. Aus diesem Grund erfolgt die Vor-, Zwischen- und Finish-Vernadelung mit bis zu elf in Reihe stehenden Mehrbrettmaschinen, welche abwechselnd von beiden Seiten vernadeln.
Feingauge-Nadeln von Groz-Beckert
Die Herstellung von Kunstleder ist eine Spezialanwendung mit höchsten Ansprüchen. Feingauge-Nadeln von Groz-Beckert im Bereich von 38 - 42 gg mit sehr geringem Fasertransport pro Einzelhub sind dafür hervorragend geeignet. Damit die Oberflächenmarkierung so gering wie möglich ausfällt, sollte die Einstichtiefe der Nadeln von Maschine zu Maschine kontinuierlich reduziert werden.
Um die geforderte Dichte im Produkt mit dem gewünschten Vernadelungseffekt in Einklang zu bringen, werden Nadeln mit weitem Kerbenabstand für maximale Oberflächengüte – oder auch Nadeln mit engem Kerbenabstand für guten Verdichtungseffekt in Kombination eingesetzt. Hierbei kommen hauptsächlich Nadeln mit RF-Kerbenform zum Einsatz, da diese einen definierten und schonenden Fasertransport ermöglichen. Zur Erreichung einer sehr hohen Oberflächengüte können Einkerbennadeln eingesetzt werden.