Die textile Welt im Blick: von nachhaltigen Produkten bis ökonomische Prozesse
T-Shirt statt USB-Stick?
Kleidung praktischer, kommunikativer, funktionaler und schützender machen, ist ein Grundgedanke der Entwicklung sogenannter intelligenter Textilien. Bereits vor 30 Jahren begann sich die Forschung für tragbare Technologien zu interessieren. Besonders in den Bereichen Medizin und Sport sind über die Jahre einige „smarte“ Textilien auf den Markt gekommen. Und trotzdem sind diese Smart Textiles noch nicht so weit verbreitet und in unserem Alltag angekommen, wie man das unter diesen Voraussetzungen annehmen könnte. In einem Versuch, diesen Umstand zu ändern, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Mai 2018 eine Initiative zur Förderung von „Materialien für intelligente Textilien (smart textiles)“ ins Leben gerufen.
Die Förderkampagne vereint die Initiativen „Vom Material zur Innovation“ und „Innovation für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“. 44 europäische und außereuropäische Länder sind an der Kampagne beteiligt. Nicht nur Kooperationen über Landesgrenzen hinweg sind dabei ein zentrales Thema, sondern auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit spielt eine wichtige Rolle. So steht besonders die enge Zusammenarbeit von Unternehmen und öffentlicher Forschung im Mittelpunkt, die einen sicheren und schnellen Transfer in die industrielle Anwendung gewährleisten soll.
Innovation vs. Funktionalität
Neben der Problematik, dass die Entwicklung intelligenter Textilien und deren Integration in unseren Alltag nach einer Schnittstelle mehrerer Disziplinen wie Textilherstellung, Elektronik und EDV sowie Forschung und Industrie verlangt, hindert auch die Frage, wie die „intelligenten“ Funktionen für den Träger frei von Störfaktoren, wie beispielsweise Akkus, in das Textil integriert werden können, so manches Produkt am Durchbruch.
Viele bereits auf dem Markt erhältliche Smart Textiles funktionieren durch die Integration konventioneller mobiler Geräte. Häufig schränken diese unelastischen Komponenten jedoch die Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit der Textilien ein und stellen den Träger, beispielsweise bei der Reinigung, vor ein echtes Problem. Flexible oder gedruckte Komponenten sowie Spezialgarne, wie sie bereits im Medizinbereich eingesetzt werden, bieten hier eine Alternative.
Textil als Speichermedium – ein Beispiel aus den USA
Den Forschern der University of Washington ist es kürzlich gelungen, ein intelligentes Textil zu entwickeln, das gänzlich ohne externe Energiequelle auskommt und somit gewaschen und gebügelt werden kann: ein handelsübliches Hemd, das als Datenträger fungiert. Dazu wurde ein leitfähiges Garn verwendet, das beispielsweise bereits bei Handschuhen für die Bedienung von Touchscreens eingesetzt wird. Durch Magnetisierung des Garns im Hemdärmel gelang es den Forschern, einen Zutrittscode aufzuspielen, wie er für den Zugang zu Sicherheitszonen verwendet wird. Durch Bewegen des Ärmels vor dem Bedienfeld kann die Tür so geöffnet werden. Die durch Polarisierung des leitfähigen Garns im Textil gespeicherten Daten können mit einem Magnetometer ausgelesen werden. Mithilfe dieser Technologie könnten Menschen in Zukunft große Datenmengen direkt am Körper tragen.
Neue Möglichkeiten ...
Smart Textiles sind auf verschiedenste Arten zukunftsweisend. Sie können durch ihre Funktionen einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, zum Beispiel in der Medizin durch ressourcensparende Wundversorgung oder im Alltag, wenn die benötigte Energie für diverse Geräte und Funktionen unterwegs direkt am Körper oder beispielsweise durch Solarenergie erzeugt werden kann.
Eine weitere, noch revolutionärere Idee bilden „gestrickte Muskeln“. Schwedische Forscher untersuchen das Potenzial „textiler Exoskelette“. Damit sind Textilien gemeint, die leitfähige Materialien enthalten, welche sich über Impulse zusammenziehen oder strecken lassen. Dadurch ließen sich nicht nur körperliche Leistungen im Sport oder Berufsleben steigern, sondern auch die Mobilität körperbehinderter oder sogar gelähmter Menschen verbessern.
... und Herausforderungen
Die Entwicklung neuer Smart Textiles bringt jedoch auch neue Herausforderungen mit sich. Ein Thema, das zu Beginn der Smart Textile-Entwicklung vor 30 Jahren noch keine so große Rolle spielte, wie in der heutigen zunehmend digitalisierten Welt, ist der Datenschutz. Der gläserne Mensch ist zu einem allgegenwärtigen Thema geworden – ob in der Diskussion über neue Datenschutzrichtlinien, Hackerangriffe auf Institutionen mit großen Datenmengen oder das unrechtmäßige Verwenden persönlicher Daten von Social Media-Plattformen. Auch bei der Entwicklung von intelligenten Textilien, bei denen die Funktionen meist durch die Analyse persönlicher Daten bereitgestellt werden, ist es deshalb wichtig, auch von vornherein Standards für den Datenschutz festzulegen.
Die Herausforderungen bei der Entwicklung intelligenter Textilien und deren Integration in unseren Alltag sind somit zahlreich – und werden wohl nur von den beinahe unendlichen Möglichkeiten zur Innovation übertroffen, die dieser Bereich bietet.
Groz-Beckert Technologie- und Entwicklungszentrum (TEZ)
Die Integration von Sensoren, elektrisch leitfähigen Garnen oder anderen ungewöhnlichen Materialien bei der Herstellung von Smart Textiles stellt hohe Anforderungen an die maschenbildenden Komponenten. Groz-Beckert bietet Nadeln und Systemteile für eine Vielzahl anspruchsvoller Technologien und Kooperationen zur Entwicklung und Umsetzung innovativer Ideen. Unsere Experten im Technologie- und Entwicklungszentrum (TEZ) beraten Sie gerne.
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Hätten Sie es gewusst?
Smart Textiles können durch verschiedenste Fertigungsverfahren hergestellt werden, abhängig von den gewünschten Eigenschaften, die das Textil besitzen soll. Abstandsgewirke eignen sich beispielsweise besonders gut, um Sensoren zu integrieren. Gestricke dagegen kommen durch ihre Flexibilität besonders in den Bereichen Sport und Medizin zum Einsatz.