Magazine Dezember 2014

Die textile Welt im Blick: von Wüste bis Wolle

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Naturfaser-Boom – pflanzlich vor tierisch

Im Zuge des Nachhaltigkeitsgedankens, des Umweltschutzes und nicht zuletzt durch gesetzliche Vorgaben rückten Naturfasern seit einigen Jahren wieder merklich stärker in den Fokus der Industrie, wobei die Naturfaserarten Baumwolle, Jute, Hanf und Flachs heutzutage die meistverarbeiteten Fasern darstellen. So wurden im Jahr 2013 rund 30 Millionen Tonnen Naturfasern hergestellt. Dabei entfiel auf Baumwolle mit 79% der größte Anteil, gefolgt von der Fasergruppe Flachs, Hanf, Jute und Ramie, die zusammen 13% des Gesamtvolumens ausmachten. An dritter Stelle stand Wolle mit 4%.

Organisch oder anorganisch – die Bandbreite ist groß

Allgemein werden all jene Textilfasern und Faserwerkstoffe als Naturfasern bezeichnet, die ohne chemische Veränderungen aus pflanzlichem und tierischem Material gewonnen und leicht in textile Stoffe überführt werden können. Nicht als Naturfasern, sondern als Regeneratfasern werden die Arten Bambusviskose und Lyocell geführt. Auch Holzfasern werden generell als eigene Werkstoffgruppe betrachtet.

Folgende Aufteilung lässt sich für Naturfasern vornehmen:

  • Organisch

    Pflanzlich

    • Samenfasern
      • Baumwolle
      • Kapok
    • Bastfasern
    • Stängelfasern
      • Leinen/Flachs
      • Hanf
      • Breessel
      • Kenaf
      • Jute
    • Blattfasern
      • Sisal
      • Ananas
      • Manila
      • Alfagras
    • Fruchtfasern
      • Kokos

    Tierisch

    • Wolle/Haare
      • Lama
      • Alpaka
      • Kaschmir
      • Kamel
      • Rosshaar
      • Angora
      • Wolle
      • Kanin
      • Schafwolle
    • Seide
      • Maulbeere
      • Tussah
      • Muschel
      • Schappe
      • Bourette
      • Cuit
      • Souple
      • Anaphe
      • Ecrú

  • Anorganisch

    Mineralisch

    • Stein
    • Asbest

    Glasig

    • Basalt

Naturfasern können auch entsprechend ihrer Verarbeitbarkeit vereinfacht in Hartfasern und Weichfasern unterschieden werden:

  • Hartfasern (Sisal, Kokos)
  • Weichfasern (Baumwolle, Hanf, Flachs, Jute)

Naturfasern finden sich in zahlreichen Produkten des täglichen Gebrauchs wieder. Die bekanntesten Naturfasern dürften Baumwolle, Leinen/Flachs, Wolle und Seide sein. Baumwolle wird hauptsächlich für die Herstellung von Kleidung, Heimtextilien wie Bettwäsche und Handtücher verwendet. Neben Baum- und Schurwolle für Polsterungen im Automobilbereich werden vor allem Hanf und Flachsfasern zur Herstellung von Verbundwerkstoffen eingesetzt, zum Beispiel in Formpressteilen für die Automobilindustrie. Auch im Bausektor erleben Naturfasern aufgrund ihrer isolierenden Eigenschaften, der guten Verträglichkeit und ihrer biologischen Abbaubarkeit einen Aufschwung und finden immer wieder neue Anwendungsgebiete.

Immer mehr Einsatzmöglichkeiten für die Klassiker

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Die Anwendungsmöglichkeiten für natürliche Fasern sind durch neue Verarbeitungsmethoden und Behandlungsmöglichkeiten in den vergangenen Jahrzehnten beinahe unbegrenzt.

Allgemeine Einsatzbeispiele der meistverarbeiteten Naturfasern sind:

  • Baumwolle

    Bekleidung

    • Unterwäsche
    • Nachtwäsche
    • Oberbekleidung
    • Berufsbekleidung
    Accessoires
    • Taschentücher
    • Schirme
    • Spitzen
    Heimtextilien
    • Küchentücher
    • Handtücher
    • Badetücher
    Technische Textilien
    • Berufsbekleidung

  • Leinen / Flachs

    Bekleidung

    • Sommerbekleidung
    • Kostüme
    • Röcke
    • Hemden
    • Blusen
    Accessoires
    • Taschen
    • Koffer
    Heimtextilien
    • Bett-/Tischwäsche
    • Dekorationsstoffe
    Technische Textilien
    • Seilerwaren
    • Nähzwirne

  • Wolle

    Bekleidung

    • Pullover
    • Westen
    • Mäntel
    • Winterblusen
    Accessoires
    • Strümpfe
    • Socken
    Heimtextilien
    • Decken
    • Teppiche
    Technische Textilien
    • Brandschutztextilien
    • technische Filze

  • Seide

    Bekleidung

    • elegante Damenwäsche
    • Gesellschaftskleidung
    Accessoires
    • Krawatten
    • Schals
    Heimtextilien
    • Dekorationsstoffe
    • Bettwäsche
    Technische Textilien
    • Brandschutztextilien
    • Knopflochseide

Die richtige Nadel erleichtert die Verarbeitung

Für die Vernadelungsindustrie machen die organischen Naturfasern Jute, Hanf, Sisal, Kokos und Schafwolle den Löwenanteil aus, wobei vernadelte Filze hauptsächlich für Matratzenunterlagen, Schuhabstreifer, Bodenbeläge, bzw. Teppichrücken sowie in zahlreichen Anwendungen im Automobilbereich (vernadelte Formpressteile, meist im nicht sichtbaren Bereich) mehr und mehr eingesetzt werden.

Im Bereich der anorganischen Naturfasern werden Steinwolle und Basaltwolle hauptsächlich für isolierende und absorbierende Produkte eingesetzt. Hier sind folgende Anwendungen erwähnenswert:

  • Isolationsmaterial für unterschiedlichste Arten von Öfen
  • Isolationen für den allgemeinen Bausektor
  • Abgassysteme und schallabsorbierende Abdeckvliese für die Automobilindustrie

Die mechanische Verarbeitung durch Vernadelung von Naturfasern kann schwierig sein, weil einerseits natürliche Fasern – im Gegensatz zu künstlich hergestellten Fasern – relativ unregelmäßig in ihrer Struktur sind. Andererseits können teilweise nur sehr kurze Faserlängen erzeugt werden.

Allgemein ist es hier bei der Vernadelung von Vorteil, konische Nadeln beziehungsweise Nadeln mit abgestuften Kerbengrößen einzusetzen. Durch die unterschiedlichen Kerbengrößen ist es möglich, dass ausreichend viele Fasern unterschiedlicher Faserfeinheiten oder -durchmesser erfasst werden. Zudem erlauben kleinere Kerben in der Nähe der Nadelspitze eine reduzierte Einstichkraft. Das dient zum Schutz der Nadeln vor Überlastung und verhindert eine erhöhte Belastung der Vernadelungsmaschine.

Just an imageGEBECON®-Nadel

GEBECON® & Co. – erste Wahl bei abrasiven Naturfasern

Speziell konische Nadeln verursachen durch ihre Stabilität weniger Nadelbruch und bieten dadurch eine längere Lebensdauer, was vor allem bei abrasiven Naturfasern (Kenaf, Kokos, Leinen) wichtig ist. Besonders die GEBECON® von Groz-Beckert bietet hier gute Stabilität bei akzeptabler Oberflächenqualität. Generell kann die Haltbarkeit der Nadeln durch spezielle Beschichtungen, zum Beispiel mit einer Teilverchromung oder einer GEBEDUR®-Behandlung, verbessert werden.

Dort, wo höhere Gewichte verarbeitet werden, kommt es vor allem in den ersten Reihen zu Nadelbruch. Dieses Problem kann durch den Einsatz kürzerer Nadeln verringert oder sogar vermieden werden: Eine kürzere Nadel dient der Stabilisierung und verhindert eine Kettenreaktion. Meist reicht eine einseitige Vernadelung zur Herstellung der geforderten Produkteigenschaften aus. Bei sehr hohen Produktgewichten ist jedoch eine beidseitige Vernadelung vorteilhaft. Erfahrungsgemäß liegen geeignete konische Nadeln zur Verarbeitung von Naturfasern in den Feinheitsbereichen 32 bis 36gg. Bei Wolle (Baumwolle, feine Schafwolle) tendiert man bei der Wahl der Nadeln zu sehr feinen Bereichen wie 40 bis 42gg. Speziell bei Kokosfasern ist hingegen der Einsatz von Grobgauge-Nadeln in 16 oder 18gg mit speziell verstärkten Einspannschäften mit 12 oder 13gg gängige Praxis.

Die richtige Kerbe schützt vor Bruch

Außerdem ist bei der Verarbeitung von anorganischen Fasern sehr darauf zu achten, dass diese nicht allzu sehr beschädigt werden, da diese Faserarten im Allgemeinen eine sehr geringe Dehnung aufweisen und entsprechend schnell brechen. Hier macht sich der Einsatz von Nadeln mit einer speziellen metallurgischen Behandlung bezahlt, die zugleich Kerben besitzen, die über einen erhöhten Kerbenüberstand verfügen oder aber eine große Kerbentiefe aufweisen. Generell sind für Produkte, bei denen anorganische Fasern verarbeitet werden, Nadeln mit RF-Kerben den konventionellen Kerben vorzuziehen. Bestehen besonders hohe Ansprüche an die Schonung der Faser, ist der Einsatz einer HL-Kerbe zu empfehlen.

Just an imageHL Kerbe

Gelegentlich werden bei voluminösen Isolationsvliesen auch Nadelkombinationen verwendet, die in der Länge abgestuft sind, um eine sanfte und durchgehende Vernadelung zu erreichen. Generell wird bei diesen Fasern die Produktion mit sehr geringen Nadeldichten und geringer Hubzahl gefahren, um einer Beschädigung oder gar einer Zerstörung der Fasern vorzubeugen.

Abstimmung ist alles – Beispiel aus der Praxis

Die Praxis erfordert bei der Verarbeitung von Naturfasern einen gut abgestimmten Produktionsprozess, um mit guten Nadelstandzeiten und einer angemessenen Maschinengeschwindigkeit wirtschaftlich produzieren zu können. Die Wahl der richtigen Nadeln im Fertigungsvorgang ist hierbei entscheidend. Hier ein Beispiel aus der Praxis:

Vernadelung einer Matratzenunterlage

  • Produkteigenschaften:
    • Faserart: Hanf
    • Produktgewicht: 1.000 g/m²

  • Vorvernadelung: 15 x 16 x 36 x 3 1/2 M332 G 53037 (614481)
    • Einstichtiefe: 14 mm
    • Einstichdichte: 50 E/cm2 (S/cm2)

  • Hauptvernadelung: 15 x 16 x 25 x 3 1/2 M333 G 83012 (608761)
    • Einstichtiefe: 12 mm
    • Einstichdichte: 140 E/cm2 (S/cm2)